Wildcat Nr. 69, Frühjahr 2004, S. 22-21 [w69buskoeln.htm]


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»Ich hätte nie gedacht, dass sich die Bedingungen in paar Jahren so verschlechtern können...«

Ein Busfahrer der Kölner Verkehrsbetriebe KVB berichtet.


Die Älteren hier haben ziemlich gute Bedingungen, sie verdienen gut und haben viel freie Zeit. Vor dem Spartentarifvertrag hatten sie 36 Tage Normalurlaub, plus elf Tage zusätzlich – für Feiertage, die auf Wochentage fallen können, das sind im Durchschnitt elf – plus nochmal vier Tage für Nachtschichtarbeit, plus einen Tag als Entschädigung für die Arbeit an Heiligabend oder Sylvester. Wenn du über 55 bist, kriegst du nochmal sechs Tage. Da kommst du auf zweieinhalb bis drei Monate Urlaub pro Jahr. In den 70er / 80er Jahren haben die kaum Leute gekriegt, also haben die denen gute Bedingungen gemacht. Es gibt heute noch drei oder vier mit einem »Taxischein«! Die können jeden Tag mit dem Taxi zur Arbeit kommen und mit dem Taxi zurückfahren, und die KVB bezahlt das, weil das damals vereinbart worden ist. Wenn die pensioniert werden, dann stirbt das aus, wie andere Sachen auch. Wenn du morgens als erster losfährst, kannst du ja nicht mit dem Bus kommen, dann musst du mit dem Auto oder Fahrrad oder sonstwie kommen. Es gab mal einen Bus, der die Leute zur Arbeit abgeholt hat, aber das haben die auch eingestellt.

Weniger Lohn und Urlaub nach dem Spartentarifvertrag

Es gibt mittlerweile vier Gruppen von Verdiensten. Nach der dritten gibt's den großen Schnitt, ab 2004, für die Leute, die nach dem Spartentarifvertrag arbeiten. Die kriegen weniger Grundlohn und keine Zuschläge mehr. Nacht– oder Feiertagszuschläge, Kinderzuschläge – das fällt alles weg. Es geht das Gerücht um, dass danach zehn Leute angefangen haben, und von denen sollen einige zusätzlich Sozialhilfe beantragt haben, weil sie Kinder haben und so wenig verdienen, dass sie unterm Sozialhilfesatz liegen.

Bei den Subunternehmern verdienen sie weniger und sie machen unheimlich viele Überstunden. Da ist es normal, einen 12– oder 14–Stundentag zu haben. Einer hat mir gesagt, dass er manchmal auf zwei oder drei Tachoscheiben fährt, vollkommen illegal, damit er auf 2000 netto kommt. Sechs Tage die Woche. Ich habe auch schon von welchen gehört, von denen verlangt wurde, dass sie sieben Tage die Woche arbeiten, ohne freien Tag.

Nach dem Spartentarifvertrag haben wir ne Fünf–Tage–Woche und 38,5 Stunden, aber im Jahresdurchschnitt. Wenn du Pech hast, und die haben zu wenig Leute, dann musst du auch mal sechs Tage acht oder achteinhalb Stunden arbeiten, dann hast du so gesehen ne 50–Stunden–Woche. Mit dem vielen Urlaub ließ sich das aushalten, aber das ist jetzt vorbei. Die elf zusätzlichen Urlaubstage sind voll weggefallen. Ich muss insgesamt 17 Tage mehr arbeiten! Ein normaler Arbeitsmonat sind 20 oder wenn du Pech hast 22 Arbeitstage. Weißt du, was das bedeutet? Mit dem neuen Tarifvertrag arbeitest du nicht mehr zwölf sondern dreizehn Monate! Durch den Spartentarifvertrag hast du ne Arbeitsplatzgarantie bis Ende 2009, aber du musst als Arbeitnehmer wirklich Kröten schlucken. Die Leute sind super unzufrieden mit der Gewerkschaft, weil die dem zugestimmt haben. Ich hab heute noch mit Leuten geredet, die dreißig Jahre in der Gewerkschaft sind, und die jetzt rausgehen.

Es ist schwer, sich da zu organisieren, aber durch die Gewerkschaft bist du auch nicht organisiert. Da kannst du hingehen, wenn du dich ungerecht behandelt fühlst, dann gehen die mit dir zum Chef. Das ist ja auch nicht schlecht. Aber ne wirkliche Arbeitervertretung ist das nicht. Der eine ist stolz drauf, dass er mit dem stellvertretenden Betriebsleiter joggen geht und dass die sich duzen. Da macht jeder seine Witze drüber, aber das heißt ja auch schon alles. Was willst du da erwarten.

Mehr Arbeit

Als ich vor paar Jahren angefangen habe, gab es praktisch keine unbezahlten Pausen. Und dann fing das an, dass du von 22 Arbeitstagen vielleicht drei– oder fünfmal unbezahlte Pausen hattest, und das wird immer weiter ausgedehnt, heute können das schon 16 Tage sein. Dadurch werden deine Arbeitstage länger. Du kriegst acht Stunden bezahlt, bist aber acht dreiviertel da, plus die Wege. Da bist du dann locker zehn Stunden oder elf unterwegs. In den unbezahlten Pausen hängst du an irgendeiner Endhaltestelle, wo du gar nicht wegkommst. Du kannst nicht das machen, was du willst. Und heute bist du da alleine. Vor fünf oder zehn Jahren hast du da mit zwei, drei Bussen gestanden. Wenn der dritte kam, hattest du vielleicht noch fünf bis zehn Minuten Zeit, bis der erste los musste, aber zwei konnten sich immer ne ganze Zeit lang unterhalten.

Früher hast du einen Bus im Betriebshof genommen und bist den ganzen Tag eine Linie gefahren. Abends bist du mit dem Bus zurückgekommen, der nächste hat da gewartet und ist damit wieder rausgefahren. Jetzt ist das so, dass die Busse fast nur unterwegs sind und du irgendwo hin musst. Die Zeit, die du dafür unterwegs bist, wird nicht mehr bezahlt. Dafür hast du drei Urlaubstage gekriegt, was aber ein Witz ist, wenn du denkst, wieviel du da unterwegs bist. Früher bist du zum Betriebshof gekommen, da fing deine Arbeitszeit an, und wenn du dann irgendwo hin musstest, dann war das Pech für die KVB. Heute fängst du im Betriebshof an, dann gibst du den Bus woanders ab, und dann musst du erst noch dein Auto holen.

Seit Dezember musst du oft ohne Pause viereinhalb Stunden nur hin– und herfahren, kannst nicht mal auf Toilette gehen oder eine rauchen! Du hast überhaupt keine Pausen mehr, das ist unmöglich. Schon in den paar Jahren, die ich das mache, ist das eine rapide Verschärfung. Und wenn dann die anderen erzählen, wie das früher war...! Das wird der Gewerkschaft angelastet, weil die den ganzen Arbeitsplänen zustimmen müssen. Die sagen immer: um den Arbeitsplatz zu erhalten, müssen wir in jeden Apfel beißen. Und da sind fast alle der Meinung: das ist abartig.

Mehr Kontrolle: Unbekannte Beobachter

Wir sind 620 Busfahrer und ca. 980 Straßenbahnfahrer. Das wird weniger werden, denn sie haben die Taktzeiten verlängert. Es gibt Linien, wo alle zehn Minuten ein Bus kam, und jetzt kommt er nur noch alle zwanzig Minuten. Dadurch brauchen sie weniger Leute, und auch durch den Spartentarifvertrag. Die KVB hat zur Zeit 50–55 Leute zuviel. Die versucht man rauszuekeln. Dann gibt es immer Kontrollen und Abmahnungen. Wenn du nicht korrekt gekleidet bist, schicken sie dich nachhause und du kriegst ne Abmahnung. Wenn sie zu wenig Leute haben, was ich auch schon erlebt habe, dann kannst du auch Fehler machen, dann ist das kein Problem. UB nennt sich das, Unbekannte Beobachter, die setzen sich rein und beurteilen, wie du fährst, ob du ruckelst, ob du die Haltestellen nah genug anfährst, ob du die Haltestellen ausrufst. Und wenn du das nicht machst, dann hängt das davon ab: es gibt Leute, die sind ok, die sagen dir ‘das war nicht ganz so gut, mach das nächstes mal besser’, aber es gibt auch Leute, die scharf drauf sind, dir ne Meldung zu machen und dir was reinzuwürgen, weil die auf der mittleren Ebene, Fahrdienstleiter sind, und da auch bleiben wollen, denn das ist die Ebene, auf der in Zukunft stark gespart wird. Ich hab den Eindruck, dass deshalb manche anfangen, andere ziemlich in die Pfanne zu hauen. Das Arbeitsklima ist zur Zeit echt übel. Obwohl da wirklich nette Leute arbeiten.

Oder wenn du krank wirst, dann musst du zu so einer Kontrollinstanz, wo du gefragt wirst, warum du krank warst. Ich hab auch schon gehört, dass die den Arzt angerufen haben und gefragt haben ‘Was hatte der denn?’ Das dürfen die gar nicht. Die meisten Leute gehen da natürlich hin und sagen, das geht dich nix an, ich brauche da nichts zu zu sagen. Aber Leute, die sich nicht so auskennen... und insgesamt ist das natürlich blöd, dass du da hin musst und dich rechtfertigen. Du musst da auch hin, wenn sich ein Fahrgast über dich beschwert hat. Und wenn es mehrere Beschwerden gibt, wo die sagen ‘da ist was dran’, dann hast du Schwierigkeiten, wirst mehr beobachtet. Die stehen mit Autos an Ecken und gucken, ob du pünktlich abfährst.

Es werden immer weniger Leute. Vor vier Jahren waren in der Buswerkstatt noch 120–130 Leute, heute sind da noch 25. Zum Teil müssen die dieselbe Arbeit machen, zum Teil wurde das an andere Werkstätten vergeben. Früher waren die Busse gut gewartet. Mittlerweile werden sie nicht mehr gewartet, damit sie nicht kaputt gehen, sondern es wird gewartet, bis der Bus stehen bleibt, dann wird der abgeholt und repariert. Dadurch fallen viele Busse aus, das gibt ne Menge Ärger. Heute hatte ich zwei Busse mit Motorbrand. Zum Teil brennen ganze Busse ab. Aber es gibt ja nur noch 25 Leute in der Werkstatt, also, wie soll's gehen? Vor ein paar Jahren haben die da noch stundenlang gesessen und Karten gespielt, das war echt super, die fanden das gut, da zu arbeiten. Und jetzt sind die nur noch am Heizen, und ziehen dann auch so ne Fresse. So ist das überall.



aus: Wildcat 69, Frühjahr 2004


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