Wildcat-Zirkular Nr. 33 - Januar 1997 - S. 12-14 [z33arbfl.htm]


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Flugblatt:

Wir wollen weniger Arbeit, mehr Geld und ein besseres Leben!

Wir haben immer weniger Geld in der Tasche! Dabei machen die Unternehmer auf unsere Kosten hohe Profite. Und damit das so bleibt, wollen sie, daß wir noch länger und noch mehr arbeiten ... für noch weniger Geld.

Im Ruhrgebiet versuchen sie das auch über den Strukturwandel durchzusetzen: Wo Stahlwerke und Kohleschächte dichtmachten, entstehen jetzt neue Dienstleistungen wie im Einkaufspark CentrO in Oberhausen. Wer arbeitslos ist, vielleicht bei Industriebetrieben wie Thyssen oder Babcock rausgeflogen, soll jetzt einen der 10.000 neuen Jobs im CentrO machen. Es läuft aber nicht alles so, wie sich die Unternehmer das vorstellen: bis kurz vor der Fertigstellung klagten viele Chefs, daß sie nicht die richtigen ArbeiterInnen finden. Viele einheimische Arbeitslose wollen die neuen Jobs nicht: zu schlecht bezahlt, zu weite Anfahrt, miese Bedingungen.

Trotzdem bleibt etlichen von uns nichts anderes übrig, als diese Jobs zu machen - auch weil Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe kaum zum Leben reichen. Im Einzelhandel mußten viele VerkäuferInnen ins CentrO wechseln, weil jetzt woanders die Läden dichtmachten. Natürlich bekamen sie dann neue Arbeitsverträge mit schlechteren Bedingungen, in denen z.B. die neuen Ladenschlußzeiten gleich festgeschrieben waren: sie müssen jetzt samstags bis 16 Uhr und in der Woche bis 20 Uhr arbeiten! Ein Großteil der VerkäuferInnen - vor allem Frauen - wurde zudem nur als geringfügig Beschäftigte eingestellt (590 DM oder weniger und nicht sozialversichert). Das bedeutet: Kaum Kohle und bei Kündigung gibt es kein Arbeitslosengeld!

Und in der Gastronomie? Auch hier kriegten wir mit, was das für neue Dienstleistungsjobs sind: wieder viele geringfügig Beschäftigte und auch die Löhne für die Festen sind mies. KellnerInnen kommen mit Trinkgeldern vielleicht noch über 2000 DM netto. Nicht grad prall bei dem Streß. Die in der Küche kriegen meist 1400 bis 1700 DM netto (nämlich den Tarif (!) von ca. 11 DM die Stunde). Wer kann davon leben? Geschweige denn sich leisten, krank zu werden und dann mit 80 Prozent des Lohnes auszukommen? Und auch hier: Schichtarbeit auch am Wochenende, bei vielen sogar ohne Zuschläge! Das gleiche gilt für viele der CentrO-Angestellten, die putzen, Tische abräumen, Müll entsorgen, für die ArbeiterInnen in den Kinos, usw.

In den Küchen arbeiten dabei nicht nur im CentrO vor allem Flüchtlinge (AsylbewerberInnen) und andere MigrantInnen. Die Flüchtlinge haben noch schlechtere Bedingungen als die Einheimischen, bei der Arbeit und auch sonst: Sie müssen in Lagern wohnen und ihre Situation dort ist beschissen. Sie dürfen den Verwaltungsbezirk, in dem sie wohnen, nicht verlassen. Sie kriegen nicht mal 500 DM Sozialhilfe, oft viel weniger plus Gutscheine für Lebensmittel. Sie brauchen eine spezielle Arbeitserlaubnis, die nur für eine Arbeitsstelle gilt. Die bekommen sie nur, wenn kein Einheimischer oder keine EU-AusländerIn den Job will. Also bleiben miese Küchenjobs, Putzen, usw. Die Chefs nutzen das aus, drücken die Löhne noch mehr, bescheißen bei den Lohnabrechnungen, heuern und feuern.

Viele sind unzufrieden, beschweren sich, überlegen, was man machen kann. Aber es hat bisher noch keine offenen Arbeitskämpfe gegeben. Im CentrO sind wir alle neu, brauchten erstmal Zeit, uns in der neuen Situation zurechtzufinden. Und die Chefs bauen noch darauf, daß wir uns als Einheimische und AusländerInnen, als Festangestellte und Geringfügige gegeneinander ausspielen lassen. Aber egal, welchen Arbeitsvertrag und welchen Paß wir haben: Als ArbeiterInnen haben wir alle das gleiche Interesse, nämlich weniger Arbeitsstreß und ein besseres Leben. Wenn wir unseren Kampf selbst in die Hand nehmen, können wir auch was durchsetzen!

Abschaffung der Arbeitsbeschränkung für AsylbewerberInnen!

Weg mit den Lagern!

100 Prozent Lohnfortzahlung im Krankheitsfall,
Abschaffung des Geringfügigen-Status,
feste Arbeitsverträge für alle!

Mindestens 20 DM die Stunde

sowie Zulagen nach 18 Uhr und am Wochenende für alle im CentrO!

Wir laden alle ArbeiterInnen aus dem CentrO zu einem Treffen ein, um die Situation zu diskutieren und Aktionen zu beschließen, mit denen wir unsere Bedingungen verbessern können!
(Termin, Uhrzeit, Ort) BoSalaMakasi
(Übersetzungen in Englisch, Französisch, Tamilisch und Polnisch)


Artikel aus der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) vom 20.12.96:

Flugblatt spricht von «Ausbeutung« in Neuer Mitte

Gewerkschaft: Viele 590-DM-Jobs

Von Jörg Schulz

WAZ Oberhausen. »Unzufriedenheit und Ausbeutung« in Oberhausen - diese Vorwürfe werden in einem Flugblatt erhoben, das die Situation der CentrO.-Beschäftigten kritisch unter die Lupe nimmt.

Untertarifliche Bezahlung, viele geringfügige Beschäftigte ohne Sozialversicherung, »Ausbeutung« besonders von Ausländern: Die Vorwürfe in dem von CentrO.-Beschäftigten verteilten Flugblatt zielen auf Gastronomie, Einzelhandel und CentrO.-Betreiber.

Für den Restaurantbereich werden die Anschuldigungen von der Gewerkschaft bestätigt. HBV-Bezirkssekretär Lothar Grüll bezeichnet die Situation in der CentrO.-Gastronomie als »einen Angriff auf die gesetzliche Regelung«. Ihm seien Fälle bekannt, in denen Asylbewerbern gedroht wurde, sie beim Sozialamt als nicht arbeitswillig zu melden, wenn sie den Job nicht zu einem geringeren Lohn annehmen würden.

Anders als im Einzelhandel des CentrO. gebe es in der Gastronomie überproportional viele »geringfügig Beschäftigte« (590-DM-Jobs). Auch Grüll macht zahlreiche unzufriedene Arbeitnehmer aus. Daher seien seinerseits bereits Gespräche mit dem damaligen Geschäftsführer der CentrO.-Management GmbH, Hans N.J. Mattheijsse, geführt worden. Gemeinsam habe man daran gearbeitet, daß es für die 460 bei CentrO. direkt Beschäftigten am 20. Februar '97 erstmals Betriebsratswahlen gibt.

Von diesen 460 Personen sind 310 fest angestellt und werden schon jetzt übertariflich bezahlt, wie CentrO.-Sprecherin Petra Doden betont.


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