Wildcat-Zirkular Nr. 36/37 - April 1997 - S. 46-54 [z36immig.htm]


[Startseite] [Archiv] [Bestellen] [Kontakt] Zirkular: [Nr. 36/37] [Ausgaben] [Artikel]

Im Wildcat-Zirkular Nr. 33 (Januar 97) haben wir über die Auseinandersetzungen in zwei Bereichen, in denen MigrantInnen - vor allem »AsylbewerberInnen« - arbeiten berichtet: Putzblitz! Die streiken! zu PutzarbeiterInnen bei Opel/Bochum und Gegen Ausbeutung organisieren! zu ArbeiterInnen im Einkaufszentrum CentrO/Oberhausen. Den Berichten haben wir einige Überlegungen über die mögliche Bedeutung solcher Auseinandersetzungen für die Klassenauseinandersetzung insgesamt vorangestellt. Dazu erschien in der Nummer 34/35 eine Kritik des CentrO-Artikels. Wir werden hier nicht auf die Kritik eingehen. Für die nächste Nummer des Wildcat-Zirkulars bereiten wir einen genaueren Artikel vor, bei dem wir die für uns wichtigen Fragen zu dem Bereich Migration/Klassenkampf rausarbeiten wollen. Die in der Kritik angesprochenen Probleme werden dort auftauchen.

»Keine Arbeitsbeschränkungen für 'AsylbewerberInnen'«

Bericht über eine Aktion beim Arbeitsamt Bochum

Ein Blick zurück: Das Arbeitsamt in Bochum gibt »AsylbewerberInnen« nur Arbeitserlaubnisse für zwei bis drei Stunden täglich (Pauschal- oder geringfügige Jobs bis 610 DM). Die Firma Schubert, die bei Opel die Reinigungsarbeiten macht, stellt »AsylbewerberInnen« nur als Pauschalkräfte ein, manipuliert bei den Lohnabrechnungen, verlangt einen harten Akkord, usw. Das Bochumer Sozialamt hatte im Oktober etlichen ArbeiterInnen von Schubert die Stütze gekürzt oder gestrichen, weil diese den Job nicht angegeben hatten. Die »AsylbewerberInnen« sollten nun Sozialhilfe zurückzahlen, und einige bekamen zusätzlich Geldstrafen. Etliche von ihnen machten eine Aktion beim Sozialamt und verlangten die Wiederaufnahme der Sozialhilfezahlungen. Kurz darauf organisierten einige ArbeiterInnen bei Schubert einen Streik, um die Bedingungen dort zu verbessern und höhere Löhne zu bekommen. Die Situation bei Schubert besserte sich etwas, aber das grundsätzliche Problem blieb ungelöst: mit den Pauschaljobs können die »AsylbewerberInnen« nicht genug verdienen, um ohne Sozialhilfe auszukommen. Die Stütze dagegen reicht auch nicht zum Leben. Wenn sie nun mehrere Jobs machen oder die beim Sozialamt nicht angeben, bekommen sie Ärger.

Die an der Auseinandersetzung beteiligten »AsylbewerberInnen« wollten nun das Arbeitsamt dazu bringen, Vollzeitarbeitserlaubnisse auszustellen. Die Idee, auch Schubert weiter unter Druck zu setzen, scheiterte unter anderem daran, daß die meisten der an der Gruppe Beteiligten (AfrikanerInnen aus Bochum) mittlerweile bei Schubert rausgeflogen und durch »AsylbewerberInnen« aus anderen Städten ersetzt worden waren, zu denen die Bochumer keinen Kontakt haben. Also wurde festgelegt, alle »AsylbewerberInnen« in Bochum anzusprechen und für eine Aktion beim Arbeitsamt zu mobilisieren. Dafür schrieben die Beteiligten ein Flugblatt, in dem sie ihr Problem schildern und vom Arbeitsamt die Vergabe von Vollzeitarbeitserlaubnissen fordern. Sie (und wir UnterstützerInnen) liefen damit durch die Bochumer Heime, sammelten Unterschriften und luden zu einer Versammlung ein, auf der die Forderungen und eine Aktion auf dem Arbeitsamt diskutiert werden sollten.

Hier das Flugblatt, das später auch bei der Aktion auf dem Arbeitsamt verteilt wurde (Übersetzungen in Deutsch, Französisch, Englisch, Türkisch, Serbo-Kroatisch, Tamilisch):


Wir fordern:

Keine Beschränkung der Arbeitserlaubnis für AsylbewerberInnen!

1. Beschränkung der Arbeitserlaubnis

Wir Asylbewerberinnen und Asylbewerber bekommen keine generelle Erlaubnis zu arbeiten. Wir benötigen für jede einzelne Arbeit, die wir gefunden haben, eine Arbeitserlaubnis. Die stellt das örtliche Arbeitsamt aus. Niedergelegt ist das in der »Verordnung über die (Arbeits-)Erlaubnis für nichtdeutsche Arbeitnehmer«.

Dieses Gesetz wurde vom Parlament verabschiedet, wird aber vom Arbeitsamt Bochum sehr einschränkend angewendet. Dieses erlaubt AsylbewerberInnen nur Arbeit für zwei Stunden am Tag, während andere Arbeitsämter eine großzügigere Interpretation anwenden. Sie genehmigen auch Arbeit über zwei Stunden täglich hinaus und mit Sozialversicherung.

2. Folgen für unsere Situation

a.) Die Arbeitserlaubnis für nur zwei Stunden bedeutet für uns, daß die meisten Firmen uns sehr harte Arbeiten geben und oft die Regelungen und Vorschriften über die Rechte der Arbeiterinnen und Arbeiter verletzen.

Ein Beispiel hierfür ist der Vertrag, den Opel/Bochum mit der Reinigungsfirma Schubert unterzeichnet hat. Früher stellte Opel direkt Arbeiter für die Reinigungsarbeiten ein und bezahlte sie gut. Opel stellte aber fest, daß für diese zuviel ausgegeben wurde, und bot nun spezialisierten Firmen an, diesen Dienst zu übernehmen. Unter vielen Konkurrenten gewann die Firma Schubert den Auftrag mit einem günstigen Preis - zum Nachteil der Arbeiterinnen und Arbeiter.

Zur rassistischen Diskriminierung möchten wir erklären, daß die Vorarbeiter des Putzdienstes, die überwiegend aus Osteuropa kommen, leichtere Arbeit und Arbeit von geringerem Umfang an ihre Landsleute geben und an andere, genauer gesagt: an Afrikaner, die harte und umfangreiche.

Durch die Arbeitserlaubnis für nur zwei Stunden sind wir dazu verdammt, die Jobs zu machen, die Deutsche und Bürger der Europäischen Gemeinschaft ablehnen.

Die Firmen, die uns beschäftigen, profitieren von unserer Arbeit, denn sie wissen, daß wir mit diesen zwei Stunden Verträgen keine andere Arbeit finden können, und sie beuten uns aus.

b.) Auf dem Hintergrund der Arbeitserlaubnis für nur zwei Stunden täglich passiert es, daß uns das Sozialamt die Sozialhilfe streicht, obwohl wir gerade deshalb arbeiten, weil die Sozialhilfe nicht bis zum Monatsende reicht.

c.) Neben den oben angeführten Punkten möchten wir mitteilen, daß Vermieter und Wohnungseigentümer sich weigern, uns Wohnungen zu vermieten, da wir dafür keine Erlaubnis vom Sozialamt erhalten.

3. Schlußfolgerungen und Forderungen

Aufgrund all des oben Gesagten stellen wir fest:

Asylbewerberinnen und Asylbewerber aus Bochum

(Einladung zur Versammlung ...)


Versammlung

Zu der Versammlung (am 15.3.) kamen insgesamt 25 Leute, »AsylbewerberInnen« aus afrikanischen Ländern und Sri Lanka, »Bürgerkriegsflüchtlinge« aus Bosnien sowie UnterstützerInnen. Angesichts der Mobilisierungsanstrengungen war das doch sehr mager.

Nachdem einer der einladenden Afrikaner nochmal die Erfahrungen bei Schubert und die Problematik mit den Arbeitserlaubnissen erläutert hatte, schilderten die Bosnier ihre Probleme: Fälle, in denen sie vom Arbeitsamt keine Arbeitserlaubnis bekamen, obwohl sie von Unternehmern Einstellungszusagen bekommen hatten (darunter ein Fall, in der das Arbeitsamt die Arbeiterlaubnis verweigerte, weil der angebotene Lohn für die Art von Arbeit zu niedrig sei); es kam auch vor, daß das Arbeitsamt dann andere Leute zur Bewerbung bei der Firma schickte (von den Afrikanern hatten das auch schon einige erlebt); Probleme mit dem Sozialamt, wenn das mitbekommen hatte, daß sie eine geringfügige Arbeit nicht angegeben hatten; Schulden beim Krankenhaus, weil sie nicht krankenversichert worden waren, usw. Sie wiesen darauf hin, daß die Lage in den Städten unterschiedlich sei. Einer hatte auf dem örtlichen Arbeitsamt zu hören bekommen: »Bochum hat eigene Gesetze!«

Auch von den Afrikanern kamen noch Beispiele. Einer erzählte, daß die Einschränkung der Bewegungsfreiheit für »AsylbewerberInnen« weitere Probleme schaffe. Ein Bochumer »Asylbewerber« könne in Düsseldorf Arbeit finden, müsse dafür aber die Grenzen des Bezirks verlassen (was bei Auffliegen Androhung von Beendigung des Asylverfahrens und von Abschiebung bedeuten kann).

Angesichts der Fülle von Problemen (Sozialamt, Arbeitsamt, Krankenversicherung, Bewegungsfreiheit) wies einer der Afrikaner aus der Vorbereitungsgruppe darauf hin, daß wir uns hier auf die Frage der Vollzeit-Arbeitserlaubnisse und deren Durchsetzung beim Arbeitsamt konzentrieren sollten. Die Beispiele für die Art und Weise, wie das Arbeitsamt mit den Arbeitserlaubnissen umgeht, sollten bei einer Aktion im Büro des Chefs vom Arbeitsamt vorgebracht werden. Die Bosnier waren einverstanden.

Es gab dann eine kontroverse Diskussion, bei der es darum ging, ob es besser sei, sich beim Arbeitsamt anzumelden, einen Brief zu schreiben usw. - oder gleich zu »demonstrieren«. Die einen schlugen den »offiziellen« Weg vor, um dann bei Nichtbeachtung oder Ablehnung eine Aktion zu machen. Einige hatten auch Bedenken wegen eines Eingreifens der Bullen. Andere, vor allem aus der Vorbereitungsgruppe, betonten, daß der offizielle Weg nichts bringe. Es wäre besser da gleich hinzugehen und Druck zu machen. Sonst könne mensch da nichts erreichen. Sie bezogen sich auch auf die Erfahrungen bei der Mobilisierung gegen die Freßpakete vor zwei Jahren.

Wir einigten uns dann, doch gleich gemeinsam aufs Arbeitamt in das Büro des Chefs zu gehen und ihm die Forderungen auf den Tisch zu legen.

Aktion

Zu der Aktion auf dem Arbeitsamt (am 18.3.) kamen etwa 20 Leute. Wir gingen gleich hoch ins Büro des Leiters. Der war nicht da. Also nahmen wir die nächste Tür und standen nun in einer ABM-Ausschußsitzung. Daraufhin wurde schnell der stellvertretende Arbeitsamtsleiter geholt. Er bekam die Forderungen in die Hand gedrückt. Die »Asylbewerber« forderten ihn auf, den Interpretationsrahmen, den das Arbeitsamt bei der Vergabe von Arbeitserlaubnissen hat, auszunutzen und ihnen Vollzeitjobs zu genehmigen. Er erwiderte nur, daß er und das Arbeitsamt gezwungen wären, sich an die rechtlichen Vorgaben zu halten. Die schrieben vor, daß immer erst »Bevorrechtigte« vermittelt werden müßten. Dazu würden die »Asylbewerber« nicht gehören. Diese präsentierten daraufhin einige Beispiele, wo sie Vollzeitjobs aufgetan hatten, die offensichtlich die »Bevorrechtigten« nicht wollten, und wo das Arbeitsamt die Bearbeitung verschleppt hatte oder schlichtweg ablehnte. Außerdem bekämen sie für die Teilzeitjobs doch gleich eine Erlaubnis - ohne lange Wartezeit, ohne Anfragen bei »Bevorrechtigten«. Der Stellvertreter wiederholte immer wieder nur seine Formel von der rechtlichen Lage, Einzelfallprüfung usw. Den Fragen eines bosnischen »Bürgerkriegsflüchtlings« wich er mit der Bemerkung aus, beim Status der Bosnier kenne er sich nicht aus. Nach anderthalb Stunden wurde klar, daß er sich nicht auf Zugeständnisse einlassen würde. Nach Vereinbarung eines weiteren Gesprächstermins zogen wir ab.

UnterstützerInnen

Vor der Aktion auf dem Arbeitsamt hatte sich die UnterstützerInnengruppe - wir von BoSalaMakasi und Leute aus der Roma-UnterstützerInnen-Gruppe aus Bochum - zusammengesetzt und darüber diskutiert, wie wir zu der Aktion der »AsylbewerberInnen« stehen. Wir unterstützen die Aktion, aber nicht, weil wir lediglich eine Angleichung der Bedingungen der »AsylbewerberInnen« an die (»normale Ausbeutung«) der »einheimischen« ArbeiterInnen wollen, sondern weil wir in diesem Kampf für bessere Bedingungen Ansatzpunkte für Kämpfe gegen die kapitalistische Ausbeutung an sich suchen. Es fällt uns allerdings schwer, diese Spanne zwischen Unterstützung der Aktion und weitergehender Zielsetzung auch deutlich zu machen.

Für die Aktion beim Arbeitsamt schrieben wir ein Flugblatt, um mit den »Arbeitslosen« ins Gespräch zu kommen. Dabei ging es uns vor allem darum, Verbindungen zwischen der Situation von »AsylbewerberInnen« und »Arbeitslosen« herzustellen und deutlich zu machen, daß wir beide »Gruppen« als ArbeiterInnen sehen, die sich mit ihrer jeweiligen Ausbeutungssituation auseinandersetzen müssen, aber gemeinsame Interessen haben... Aber lest selbst:


Für die sofortige Abschaffung der Arbeitsbeschränkungen für »AsylbewerberInnen«!

Flugblatt zum Besuch beim Chef vom Bochumer Arbeitsamt

Unternehmer und Politiker nennen sie »AsylbewerberInnen« und machen Gesetze, die sie zwingen sollen, in Heimen zu wohnen, von der Sozialhilfe zu leben, miese Jobs zu machen und dann wieder zu verschwinden. Es sind dieselben Unternehmer und Politiker, die uns an allen Ecken die Kohle streichen und zwingen wollen, mehr zu arbeiten. Für uns sind die sogenannten »AsylbewerberInnen« FreundInnen, KollegInnen, andere ArbeiterInnen, die herkommen, weil die Situation in ihren Ländern noch schlechter ist, wegen Krieg, Armut, Hunger und Unterdrückung. Wenn sie sich hier nicht auskennen, unsere Sprache nicht sprechen, über Gesetze unter Druck gesetzt und gezwungen werden, zu besonders schlechten Bedingungen zu arbeiten, dann schwächt das auch unsere Position gegenüber den Unternehmern. Wenn sie die Abschaffung der Arbeitsbeschränkungen fordern, also die gleichen Bedingungen wie wir, dann ist das nur ein Schritt, aber ein wichtiger: Sie wollen sich nicht als »AusländerInnen« oder »AsylbewerberInnen« ausgrenzen und gegen andere ArbeiterInnen ausspielen lassen. Wir unterstützen ihren Kampf, auch weil wir hoffen, daß dadurch gemeinsame Kämpfe gegen Unternehmer und Politiker, gegen Arbeitshetze und Verarmung, für eine Gesellschaft jenseits von Ausbeutung und Profit möglich werden.

Was ist passiert? Beispiel Schubert/Opel

Bei der Firma Schubert, die in den Bochumer Opel-Werken die Reinigung macht, wurde im November gestreikt. Hier arbeiten überwiegend »Asylbewerber« für zwei oder drei Stunden täglich. Schubert ruft direkt beim Arbeitsamt Bochum an, wenn bestimmten Leuten eine Arbeitserlaubnis erteilt werden soll. Im Oktober letzten Jahres wurde etlichen von ihnen die Sozialhilfe gestrichen, weil sie die Jobs nicht beim Sozialamt angaben (aber dafür vom Arbeitsamt Arbeitserlaubnisse bekommen hatten!). Jetzt fordert das Bochumer Sozialamt ausbezahltes Geld zurück und hat auch bei Gericht Klage eingereicht. Die Betroffenen bekommen nun unter 600 DM Lohn, kriegen keine Sozialhilfe mehr und sollen dann auch noch Geld ans Sozialamt zurückzahlen und für Geldstrafen aufkommen. Und diejenigen, die den Job aufgegeben haben (weil vom Lohn sowieso kaum was übrig bleibt), sollen jetzt von der Sozialhilfe die Rückzahlungen und Strafen bezahlen!

Einige »AsylbewerberInnen« bei Schubert/Opel haben dann versucht, ihre Bedingungen bei der Firma zu verbessern. Im November und Dezember haben sie Versammlungen organisiert und einen Tag gestreikt. Herausgekommen ist, daß seitdem die beschissenen Arbeitsbedingungen etwas besser und die Löhne ein wenig angehoben wurden. Die »AsylbewerberInnen« wollen aber die Möglichkeit, sich Jobs zu suchen, von denen sie leben können. Sie wollen den Streß mit dem Sozialamt und die Festlegung auf die geringfügigen (zwei bis drei Stunden-) Jobs nicht! Deswegen verlangen sie vom Arbeitsamt, ihnen Arbeitserlaubnisse für Vollzeitarbeit zu geben (siehe ihr Flugblatt dazu).

Arbeitsamt und Arbeitserlaubnisse
Über die gesetzliche »Arbeitserlaubnisverordnung« regeln Unternehmer und Staat die Arbeit von MigrantInnen, Leuten, die aus anderen Ländern hierher kommen. Sie teilen sie in verschiedene Gruppen ein, je nach Dauer ihres Aufenthalts, der Arbeit, die sie machen sollen, usw.: GastarbeiterInnen, SaisonarbeiterInnen, AsylbewerberInnen...
Die Arbeitsämter sollen sich bei der Stellenvermittlung und bei der Erteilung von Arbeitserlaubnissen für MigrantInnen an der Arbeitsmarktlage orientieren. Über die Beschränkung von Arbeitserlaubnissen und bei der Stellenvermittlung werden »AsylbewerberInnen« - aber auch andere MigrantInnen - in die miesen Jobs in Restaurants, in Reinigungsfirmen, beim Werbezettelverteilen usw. gedrängt.
»AsylbewerberInnen« - und »Bürgerkriegsflüchtlinge« - müssen dabei eine spezielle Arbeitserlaubnis beantragen, die nur für einen bestimmten Job gilt und befristet ist. In Bochum und vielen anderen Städten bekommen sie vom Arbeitsamt nur Arbeitserlaubnisse für sogenannte geringfügige Jobs (also für zwei oder drei Stunden täglich). Sie verdienen dann weniger 610 DM, oft nur 300 DM. Sie sind also außerdem auf Sozialhilfe angewiesen. Bekommen sie aber Sozialhilfe, wird ihnen ein großer Teil des schon mickrigen Lohnes wieder abgenommen!

Was hat das mit uns zu tun?

Nicht nur die »AsylbewerberInnen« bei Schubert/Opel und anderswo haben Probleme mit Arbeit und Einkommen. Die Veränderungen am Arbeitsmarkt bekommen wir alle zu spüren. Unternehmer und Politiker haben den Rahmen für eine Vielzahl unterschiedlicher Arbeitsmärkte und Arbeitsverhältnisse geschaffen (befristete Verträge, Teilzeit, Zeitarbeit, geringfügige Beschäftigung, illegalisierte Beschäftigung...). An dieser Entwicklung haben wir ArbeiterInnen einen Anteil, haben viele von uns doch keine Lust auf 40-Stunden-Maloche, die blöden Chefs usw. Dann doch lieber ab und zu mal befristet jobben und zwischendurch mit der Arbeitslosenkohle durchkommen oder mal schwarzarbeiten. Schließlich geht es für uns darum, möglichst gut zu leben, Ruhe, Zeit und Muße für unsere FreundInnen, Ideen und Projekte zu haben - statt ständig zu malochen. Aber Unternehmer und Politiker versuchen, uns in die Zange zu nehmen. Sie wollen, daß wir so arbeiten, wie sie es wollen: immer verfügbar und flexibel, immer Leistung bringen. Wenn sie jetzt Arbeitszeitkonten einführen, damit wir z.B. vor Weihnachten auch mal 48 Stunden ohne Zuschläge arbeiten, wenn sie uns nur noch über Zeitarbeitsfirmen einstellen, wo der Lohn um die zehn Mark liegt, wenn sie uns zwingen, samstags und sonntags zu arbeiten oder mit der Streichung vom Arbeitslosengeld drohen, wenn wir ihre miesen Jobs nicht annehmen, dann geht es immer um eins: sie wollen ihren Profit vergrößern und das geht nur, wenn sie uns zwingen können, mehr und härter zu arbeiten.

Auslagerungen
Die Konzerne haben in letzter Zeit viele Bereiche in andere Firmen ausgelagert. Dort sind dann die Löhne wesentlich niedriger. Und die Konzerne fordern, daß diese Firmen Kosten und Löhne weiter reduzieren. Sie spielen sie gegeneinander aus, indem sie den billigsten Anbieter nehmen. Wir ArbeiterInnen geraten so mehr unter Druck und sollen schlechtere Bedingungen akzeptieren. Im Fall Schubert sah das so aus: Früher wurden die Reinigungsarbeiten von Opel-ArbeiterInnen ausgeführt - mit deutlich höheren Löhnen und Sozialversicherung. Diese Stellen hat Opel abgebaut. Schubert macht das jetzt billiger, auch weil das Arbeitsamt über die Beschränkung der Arbeitserlaubnisse dafür sorgt, daß Leute zu den schlechten Bedingungen arbeiten müssen. Durch die Einstellung von »AsylbewerberInnen« mit geringfügigen Verträgen spart Schubert die Sozialversicherung und kann Akkord und Arbeitstempo erheblich steigern: Wer nur zwei Stunden arbeitet, kann mehr gescheucht werden, als jemand, der acht Stunden vor sich hat!

Dieser Angriff betrifft uns alle, ...

aber nicht alle gleich, VerkäuferInnen, Arbeitslose, AsylbewerberInnen, Bergarbeiter, usw. Und diejenigen, die sich wehren, tun das meistens nur, wenn »ihre« Firma oder Branche betroffen ist. So wollen es Unternehmer und Politiker: Damit wir nicht gemeinsam kämpfen, für bessere Bedingungen, oder gar für eine Gesellschaft jenseits von Profit und Ausbeutung, versuchen sie, uns immer wieder zu spalten.

Diese Spaltungsversuche setzen vor allem bei der Situation von Frauen und MigrantInnen an. Bei ihnen wird zuerst das durchgesetzt, was sich die Unternehmer auch für die meisten anderen ArbeiterInnen wünschen. Sie sind die ersten, die in die Jobs ohne Sozialversicherung gedrängt werden. Sie sollen arbeiten, wann und wo sie gebraucht werden - und wieder an Heim und Herd oder in ihre Heimatregionen verschwinden, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Unternehmer und Politiker versuchen das über eine Vielzahl von Gesetzen und Maßnahmen durchzusetzen. Was die MigrantInnen betrifft sind das Ausländergesetze, Arbeitsbeschränkungen, Razzien. All dies dient dazu, MigrantInnen zu kontrollieren und unter Druck zu setzen, damit nur die kommen, die die Unternehmer hier ausbeuten wollen, damit sie hier nicht aufmucken und damit sie zu miesen Bedingungen arbeiten. Dabei wird noch unterschieden, wer hier langfristig gebraucht wird (z.B. als türkischer Facharbeiter) oder nur vorübergehend (z.B. polnische Erntearbeiterin).

Kämpfe von »AsylbewerberInnen«

Die Situation von »AsylbewerberInnen« ist besonders schlecht. Sie werden auf Sozialhilfe festgelegt oder in miese Jobs gedrängt. Sie müssen zusammengepfercht in Heimen oder Containerlagern leben. Sie sehen sich bedroht von der Ablehnung im Asylverfahren und Abschiebung. Sie werden konfrontiert mit rassistischen Gängelungen und Angriffen durch Behörden usw., aber auch durch »Einheimische«.

Aber sie nehmen das keinesfalls wehrlos hin. Immer wieder haben »AsylbewerberInnen« für die Verbesserung ihrer Situation Kämpfe organisiert, z.B. mit Demonstrationen und Hungerstreiks für die Auszahlung der Sozialhilfe in Geld (statt Gutscheinen, Freßpaketen), durch (Kirchen-) Besetzungen gegen Abschiebungen, durch Aktionen in den Abschiebeknästen ...

Auch Bochumer »AsylbewerberInnen« versuchen, kollektiv für eine Verbesserung ihrer Situation zu kämpfen. 1995 haben einige von ihnen die Abschaffung der ungenießbaren Freßpakete durchgesetzt, die in Bochum an »AsylbewerberInnen« verteilt wurden. Seitdem bekommen sie wieder die gekürzte Sozialhilfe. Jetzt verlangen sie die Aufhebung der Diskriminierung bei der Vergabe von Arbeitserlaubnissen. Sie wollen die gleichen Bedingungen wie wir »Einheimischen«. Wir wissen, daß auch die beschissen genug sind, aber hier geht es darum, uns nicht gegeneinander ausspielen zu lassen und uns gegenseitig zu unterstützen.

Einige UnterstützerInnen

Überall wo »AsylbewerberInnen« und andere MigrantInnen von Unternehmern und Politikern eingesetzt werden, um uns zu spalten, um die »einheimischen« ArbeiterInnen mit den miesen Arbeitsbedingungen der MigrantInnen unter Druck zu setzen, müssen wir das verhindern! Nehmen wir diese Aktion zum Anlaß, auch unsere Probleme gemeinsam anzupacken und wieder mehr Mut zu fassen. Wenn wir uns gegenseitig unterstützen, haben wir auch die Kraft dazu, was durchzusetzen!

Erfüllung der Forderung nach Vollzeit-Arbeitserlaubnissen! Rücknahme der Klagen vom Sozialamt und der Rückzahlungsverfügungen gegen die ArbeiterInnen von Schubert! Abschaffung aller Sondergesetze gegen »Nicht-Deutsche«! Für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung!

Kontakte:
* BoSalaMakasi, Am Förderturm 27, 46049 Oberhausen, Tel.: 0208/85 59 45
* Roma-UnterstützerInnen-Gruppe, c/o Bhf. Langendreer, Wallbaumweg 108, 44894 Bochum


Eigentlich wollten wir die beiden Flugblätter zusammen mit einigen »AsylbewerberInnen« auf den Fluren verteilen und uns Zeit für Diskussionen mit den »Arbeitslosen« nehmen. Das fiel dann flach, weil relativ wenige an der Aktion teilnahmen und wir uns gleich nach dem Verteilen wieder an dem Gespräch beteiligen, statt uns auf die Diskussion mit den »Arbeitslosen« zu konzentrieren. Fast alle haben eins von den Flugblättern genommen und angefangen, es zu lesen. Auf die Schnelle gab es einige positive Reaktionen.

Wie weiter?

Die meisten Beteiligten schätzten die Aktion positiv ein, obwohl erstmal nichts Greifbares rausgekommen ist. Letztendlich konnten wir nicht genug Druck ausüben. Aber die Erwartungen waren auch unterschiedlich. Einige fanden es schon gut, daß sich ein Vertreter des Arbeitsamtes auf die Auseinandersetzung einläßt. Andere hatten erwartet, daß das Arbeitsamt auch gleich Zugeständnisse macht.

Bei den weiteren Diskussionen - an denen jetzt auch einige Tamilen teilnehmen - geht es um die nächsten Schritte: Weiter Druck auf das Arbeitsamt ausüben? Oder auf die »politischen Entscheidungsträger« in der Bochumer Stadtregierung? Erstmal hängt vieles davon ab, ob und wie sich mehr »AsylbewerberInnen« an dieser Auseinandersetzung beteiligen. Warum hatte denn die Mobilisierung so wenig Erfolg? Und es steht auch weiter die Frage im Raum, ob und wie die Unternehmer anzugreifen sind, die ja die Leute zu den miesen Bedingungen einstellen!

BoSalaMakasi


[Startseite] [Archiv] [Bestellen] [Kontakt] Zirkular: [Nr. 36/37] [Ausgaben] [Artikel]