Wildcat-Zirkular Nr. 50/51 - Mai/Juni 1999 - S. 8-10 [z50krdkr.htm]


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boykottiert sabotiert desertiert - Krieg dem Krieg-Bulletin Nr.2

Wenn die Elefanten Liebe machen, wird das Gras zertrampelt.
Wenn die Elefanten kämpfen, wird das Gras zertrampelt.

(Afrikanisches Sprichwort)

»Lösungen« und »Probleme«

»Welche Lösung schlagt Ihr denn vor?«, so die immer wiederkehrende Frage der Kriegstreiber an die Menschen, die den NATO-Bombenterror gegen Jugoslawien verurteilen. Und viele von ihnen akzeptieren das Problem so, wie es gestellt wird: »Wie kann die Gemeinschaft der zivilisierten Völker die Vertreibung der albanisch-stämmigen Menschen durch die serbische Armee aus dem Kosovo beenden?« Die Antworten sind dann so hilflos wie hilfreich für die Kriegstreiber: »Embargo gegen Jugoslawien«, »politische Lösung«, »Verhandlungslösung« - und es ist klar, daß die NATO solche Antworten der Kriegsgegner mit entschlossenem Kopfnicken kommentieren kann.

Unter Computerleuten gibt's den alten, selbstironischen Spruch: Eine Lösung habe ich, das Problem werd ich auch noch finden. Sicher, es gab Vertreibungen schon vor den NATO-Bomben. Sicher, es gab jede Menge Verletzungen der Menschenrechte. Beides angestiftet, organisiert, durchgeführt oder mindestens geduldet durch alle beteiligten staatlichen und halbstaatlichen Parteien seit der Auflösung des alten Jugoslawien - einschließlich UN, OSZE, NATO, die Regimes von Kroatien, Slowenien, Rest-Jugoslawiens und die marodierenden Banden in Bosnien. Jetzt haben wir offenbar den Fall, daß die »Lösung« (der Bombenterror gegen Jugoslawien) das angebliche »Problem« (die Vertreibungen) erst in Dimensionen erzeugt hat, die vorher undenkbar waren.

Krieg erzeugt immer Kriegspropaganda und Rechtfertigungen, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben. Darauf kann man nur mit der Einsicht reagieren: Glaubt nicht was sie sagen, guckt, was sie tun!

Wenn wir das für »beide Seiten« anwenden, dann wird schnell klar: Das Regime in Belgrad und die NATO führen einen Krieg gegen die Bevölkerung in Jugoslawien, sowohl in Serbien, als auch im Kosovo. Und wenn wir eine zweite, ebenfalls eigentlich selbstverständliche Überlegung anschließen: sowohl die NATO, als auch das Miloževiž-Regime wissen, was sie tun (das heißt, sie sind nicht aus purer Dummheit in den Krieg »hineingeschlittert«) - dann sagen wir:

Wir kennen die geheimen Pläne der Kriegsparteien nicht, aber bis zum Beweis des Gegenteils gehen wir davon aus:

Das, was passiert, war auch beabsichtigt.

Das gilt mindestens für die NATO - zu groß ist ihre militärische Überlegenheit, als daß man davon ausgehen könnte, daß ihr auf dieser Ebene etwas aus dem Ruder läuft. Miloževiž gilt heute so als »der Teufel in Menschengestalt« wie Saddam Hussein. Der wurde in einem sehr einseitigen »Krieg« in jeder Hinsicht »besiegt« - um anschließend um so fester im Sattel zu sitzen. Kurzum, der Golfkrieg hat Saddam Hussein gerettet und die Übermacht der US-Truppen und der Alliierten war so groß, daß man getrost davon ausgehen kann: das war der Zweck des Golfkrieges.

Das gilt auch für das Miloževiž-Regime. Mit dem wird verhandelt - während die Fabriken, die Wasserwerke, Kraftwerke und Brücken ohne Rücksicht zerstört werden. Dabei kommen nicht Menschen aus Versehen »ums Leben«, sondern der Angriff gilt ihnen: ihren Arbeitsplätzen, ihrem Lebensstandard, ihren Hoffnungen, Wünschen, ihrem Selbstbewußtsein. Also: wie heißt das »Problem« der NATO wirklich? Wenn wir 1. gucken, was sie tun und 2. davon ausgehen, daß sie sehr wohl wissen, was sie tun: dann heißt ihr Problem nicht »Miloževiž«, sondern die Bevölkerungen von Serbien und dem Kosovo, die bisher die Wirren der Auflösung Jugoslawiens relativ stabil überstanden hatten. Jetzt ist die Gesellschaft im Kosovo vollends aufgemischt (und kann neu zusammengesetzt werden) und große Teile der Bevölkerung in Serbien nähern sich rapide dem Zustand völliger Armut und Elends. Und auch die Gesellschaften der Länder, die zum Ziel der Vertriebenen geworden sind, die Gesellschaften der Nachbarländer, die ökonomisch unter dem Bombenkrieg leiden - also große Teile des Balkans (und Griechenland) stehen unter Druck dramatischer Veränderungen der ökonomischen und politischen Bedingungen. Überall Verarmung. Überall die »Drohung« eines entwurzelten und enteigneten (albanisch-stämmigen) Proletariats. Von dem die einen hoffen und die anderen befürchten, daß es jede neue Ausbeutungsordnung annehmen wird, wenn diese nur Stabilität verspricht.

Albanien z.B. war schon vorher die Niedriglohnecke Europas - aber es war auch das Land, das vor kurzem einen eindrucksvollen sozialen Aufstand erlebt hat, der nur mit Mühe unterdrückt werden konnte. »Angesichts der düsteren Lage richtet die Wirtschaft den Blick fest auf die Zeit nach dem Krieg: 'Wir stellen uns schon darauf ein, daß es losgeht', meint Klette [Ostreferent des DIHT] zu künftigen Investitionen«, so das Handelsblatt vom 29.4.99. Und wie soll es losgehen? Auch dazu ein Bericht in der selben Ausgabe des Handelsblatt: »IWF verspricht Balkan schnelle Hilfen... Zwar wurde nicht konkret über Hilfsmittel beschlossen... Wenn die Krise nicht zu einer weiteren starken Verschuldung führen soll, müssen die Kredite unter strengen Auflagen vergeben werden...« Strenge Auflagen des IWF - das hieß bisher immer: radikale Kürzung der Sozialausgaben, Abschaffung von Sozial- und Arbeitsschutzgesetzen, niedrige Steuern für Investitionen usw. Auch wenn wir sagen: das was passiert, ist das, was hätte passieren sollen - dann heißt das nicht, daß das immer klappt.

Bomben werfen, Menschen umbringen und Fabriken zerstören, ist eine Sache. Am Ende bleiben doch immer Menschen übrig und sollen zum Zwecke der weiteren Ausplünderung und Ausbeutung auch übrig bleiben. Und die haben ihren eigenen Kopf und ihre Wut und ihren Mut. So wurde ziemlich schnell von Kriegstreibern wie Kriegsgegnern das »Ende der Opposition« in Jugoslawien heuchlerisch oder aufrichtig bedauert. Ein Irrtum, sie ist nicht tot! Und Millionen Menschen kollektiv zu entwurzeln, zu enteignen und auf den absoluten Status des »Nichts zu verlieren haben« zu reduzieren, ist ein gefährliches Spiel für die Reichen und Mächtigen. Ob die Menschen im Balkan wirklich zu demütigen, fleißigen, billigen und willigen Objekten der Neuen Weltordnung gebombt werden können, ist noch lange nicht ausgemacht.

(kdk, Mannheim, 4.5.99)


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